Kategorie: Effektive Kommunikation

  • Warum wir nicht mehr ehrlich und vernünftig miteinander reden können

    …und warum genau das der Schlüssel für echte Verbindung wäre!

    Stille. Schweigen. Ein plötzlicher Rückzug.
    Oder aber: Lautes Reden, Anschuldigungen, Missverständnisse, genervtes Abwinken.

    Wir leben in einer Welt, in der Kommunikation allgegenwärtig ist – und doch scheitern so viele Gespräche genau an dem, was sie eigentlich ausmacht: Ehrlichkeit, Klarheit und gegenseitiges Verstehen.

    Warum ist es heute so schwer geworden, vernünftig und ehrlich miteinander zu reden?

    Ist das wirklich so? Ja .. irgendwie schon .. ehrliche Worte machen angreifbar. Wer sagt, was er fühlt oder denkt, riskiert Zurückweisung. Das ist kein schönes Gefühl. Wer fragt, was wirklich los ist, muss auch mit einer Antwort leben können, die weh tut. Und so wählen viele lieber den leichten Ausweg: Schweigen. Abtauchen. Ghosten. Oder das Gespräch auf einer oberflächlichen Ebene beenden, bevor es persönlich wird. Dabei ist diese tiefe Art der Kommunikation das, was uns Menschen von allen anderen Spezies unterscheidet.

    Gesehen zu werden. Wirklich gemeint zu sein. In Beziehung zu treten, nicht nur in Kontakt.

    Diese Sehnsucht ist zutiefst menschlich. Wir wünschen uns Nähe, aber fürchten die Bedingungen, unter denen sie entstehen kann: Offenheit, Unsicherheit, Kontrollverlust und öffnet den Weg für Enttäuschung. Es ist ein Dilemma: Wir sehnen uns nach echter Begegnung – aber wenn es darauf ankommt, weichen wir aus. Weil wir Angst haben, zu viel zu zeigen. Oder: nicht genug zu sein.

    Also tun wir so, als wäre uns alles egal. Wir reden von Belanglosem, schicken lustige Reels statt echter Gedanken, sagen „alles gut“, wenn es das nicht ist. Wir schützen uns – und merken nicht, wie sehr wir uns dabei von uns selbst entfremden.

    Denn wer ständig nur funktioniert, cool bleibt, sich anpasst oder zurückzieht, verlernt irgendwann, ehrlich zu fühlen. Und ohne Ehrlichkeit mit uns selbst kann es keine echte Ehrlichkeit mit anderen geben.

    Warum machen wir uns also nicht ehrlich?

    Weil Ehrlichkeit Mut braucht.
    Weil sie bedeutet, Verantwortung für unsere Gefühle zu übernehmen – ohne Garantie, dass der andere sie auffangen kann oder will. Weil wir vielleicht nie erfahren haben, dass man auch dann noch liebenswert ist, wenn man nicht stark, perfekt oder „easy“ ist.

    Doch genau dort beginnt echte Beziehung: Nicht im Spiel der Masken, sondern im Moment, in dem jemand sagt: „So geht’s mir wirklich. Was ist mit dir?“
    Und der andere nicht wegläuft.

    Doch bevor wir anfangen uns zu verurteilen oder wegzulaufen.. sollten wir uns ehrlich machen.. „wie habe ich gelernt zu kommunizieren? „

    Wie oft haben wir als Kinder erlebt, dass ehrliche Gefühle mit Sätzen wie „Stell dich nicht so an“ oder „Das sagt man nicht“ abgetan wurden? Stattdessen haben wir gelernt: Anpassung ist sicherer als Echtheit. Konflikte lieber meiden. Gefühle lieber verstecken.

    Im Erwachsenenleben zeigt sich dann das Resultat: Man redet um den heißen Brei, statt zur Sache zu kommen. Man denkt: „Er oder sie sollte doch wissen, was ich meine.“ Doch Gedankenlesen funktioniert nicht. Und echte Kommunikation braucht Mut und Übung – beides fehlt oft.

    Manchmal ertappe ich mich dabei: Jemand erzählt mir etwas, und während die Worte noch in der Luft hängen, bin ich längst bei meiner eigenen Antwort. Oder bei der Frage, ob ich das auch schon erlebt habe. Oder bei dem, was ich als Nächstes sagen könnte, um „klug“ oder „richtig“ zu wirken. Nicht aus Bosheit. Sondern weil mein Kopf so voll ist. Weil mein Leben voll ist. Und weil unser Alltag heute kaum noch stille Räume lässt, in denen echte Verbindung entstehen kann. In einer Welt, in der Selbstoptimierung, Dauerbeschallung und ständige Erreichbarkeit zur Norm geworden sind, verlieren wir die Fähigkeit, wirklich da zu sein.
    Nicht nur körperlich, sondern innerlich präsent.

    Wir hören nicht mehr zu, um zu verstehen – sondern oft nur, um zu antworten.
    Oder schlimmer: um recht zu haben. Doch genau da liegt das große Missverständnis.
    Kommunikation ist kein Monolog mit kurzen Unterbrechungen.
    Sie ist kein Wettbewerb, kein Schlagabtausch, kein Ort für perfekte Worte.

    Sie ist Beziehung.
    Sie braucht Raum. Pausen. Unsicherheit. Offenheit. Und vor allem: echtes Interesse.
    Nicht an der Pointe, sondern am Menschen dahinter.

    Wenn wir wieder lernen wollen, uns ehrlich zu begegnen, dann beginnt das genau dort:
    Nicht bei dem, was wir sagen – sondern bei der Bereitschaft, wirklich zuzuhören.
    Nicht nur mit dem Ohr, sondern mit dem Herzen.

    Ein Anfang – nicht perfekt, aber echt

    Ehrlich und vernünftig miteinander reden zu können, ist keine angeborene Fähigkeit. Es ist etwas, das wir üben müssen. Immer wieder. Gerade dann, wenn es schwerfällt. Gerade dann, wenn es einfacher wäre, sich zurückzuziehen oder eine Rolle zu spielen.

    Vielleicht beginnt es mit einem kleinen Perspektivwechsel:

    🔹 Hinterfragen statt bewerten: „Was meinst du genau?“ statt „Wie kannst du nur?“
    🔹 Eigene Gefühle benennen: „Ich fühle mich verunsichert“ statt „Du machst mich wütend.“
    🔹 Zuhören mit offenem Herzen – nicht nur mit dem Verstand.
    🔹 Nicht sofort eine Lösung suchen, sondern erstmal Raum geben.
    🔹 Und manchmal: einfach ehrlich sagen, dass man gerade überfordert ist.

    Es sind diese kleinen Schritte, die den Unterschied machen.
    Die zeigen: Ich bin bereit, dich zu sehen. Und mich auch.

    Denn ehrliche Gespräche müssen nicht perfekt sein.
    Nur echt.

  • Wenn Freundschaften verschwinden: Das Phänomen „Ghosting“ unter Freund:innen

    Plötzlich ist da nur noch Stille. Keine Antwort mehr auf Nachrichten, keine Erklärung, kein Kontakt. Was viele aus dem Dating-Kontext kennen, trifft auch enge Freundschaften – und hinterlässt tiefe emotionale Spuren. Ghosting unter Freund:innen ist ein unterschätztes, aber leider weit verbreitetes Phänomen.


    Freundschafts-Ghosting, was ist das?

    Der Begriff „Ghosting“ beschreibt das abrupte und vollständige Abbrechen einer Beziehung oder eines Kontakts ohne Vorankündigung oder Erklärung. Während es in der Partnersuche bereits vielfach thematisiert wurde, fehlt in der öffentlichen Diskussion oft die Aufmerksamkeit für Ghosting im freundschaftlichen Kontext. Freundschafts-Ghosting ist besonders schmerzhaft, da enge Freundschaften auf Vertrauen, gemeinsamen Erfahrungen und emotionaler Nähe beruhen. Die plötzliche Funkstille kann daher als starker persönlicher Bruch erlebt werden – ähnlich einer Trennung.

    Freundschafts-Ghosting ist das abrupte Beenden einer freundschaftlichen Beziehung durch kommentarloses Schweigen. Das bedeutet:

    Keine Antwort auf Nachrichten.
    Keine Erklärung.
    Kein Abschied.

    Es passiert nicht selten schleichend: Treffen werden immer wieder abgesagt, Nachrichten nicht mehr beantwortet, irgendwann ist Funkstille. Für die betroffene Person fühlt sich das oft an wie ein emotionaler Schlag ins Leere – ohne Möglichkeit zur Klärung oder Verarbeitung. Vielleicht haben sich aber auch Lebenswelten so verändert oder es gibt unausgesprochene Konflikte. Fragen die man in so einer Situation leider auch nicht beantworten kann.

    Auch ein Faktor kann Neid sein. Neid kann Beziehungen vergiften – wenn er nicht reflektiert wird. Ghosting aus Neid ist oft kein böser Wille, sondern Ausdruck von innerer Unsicherheit. Aber: Wenn du geghostet wirst, weil du „zu sehr strahlst“, ist das kein Zeichen, dich zu dimmen – sondern ein Hinweis darauf, mit wem dein Licht wirklich wachsen darf.


    Verlust ohne Abschluss

    Laut einer Studie von LeFebvre et al. (2019) erleben Betroffene von Ghosting oft eine hohe emotionale Belastung, die mit Ambiguität, Verwirrung und Grübelverhalten einhergeht. Das Fehlen eines „sozialen Abschlusses“ erschwert den Verarbeitungsprozess erheblich.

    Ghosting ist häufig kein Ausdruck von Gleichgültigkeit, sondern ein Ausdruck von Konfliktvermeidung. Studien zeigen, dass Menschen mit vermeidender Bindungsstrategie oder hohem Stresslevel dazu neigen, schwierige Gespräche zu meiden – selbst wenn sie dabei enge Beziehungen kappen (Collins & Feeney, 2000).

    Nicht jede Freundschaft ist für immer – aber jede hinterlässt Spuren.
    Wenn jemand dich ohne Erklärung verlässt, spricht das nicht gegen deine Bedeutung – sondern gegen die Kommunikationsfähigkeit der anderen Person.

    MERKE: Du verdienst Freundschaften, in denen du dich zeigen darfst – und in denen Konflikte nicht das Ende, sondern der Anfang von Tiefe sind.


    Was macht Ghosting so belastend?

    • Fehlende Erklärbarkeit: Das abrupte Ende ohne Begründung führt häufig zu Schuldgefühlen oder Grübelschleifen („Was habe ich falsch gemacht?“).
    • Identitätskonflikt: Verlassene Freund:innen hinterfragen nicht nur die Beziehung, sondern oft auch ihr Selbstbild.
    • Unverarbeiteter Verlust: Ohne Abschied oder Klärung bleibt oft eine „offene Wunde“, vergleichbar mit komplizierter Trauer.

    Doch warum ist das so? Freundschaften zwischen Frauen sind oft emotional intensiver – und damit auch anfälliger für Ghosting-Erleben.

    Weiblich gelesene Freundschaften sind meist eng emotional verwoben, was bedeutet:
    Wenn hier Ghosting passiert, wird es oft als tieferer Vertrauensbruch empfunden. Das ist ist männlichen Freundschaften anders. Hier dominiert oft Aktivitätsorientierung (z. B. Sport, gemeinsame Unternehmungen), wodurch das abrupte Ende manchmal weniger als Ghosting benannt, aber ähnlich erlebt wird.


    Ghosting in Freundschaften ist keine Kleinigkeit. Es verletzt tief, weil es eine Beziehung beendet, ohne Erklärung oder Möglichkeit zur Klärung. Doch gerade dieser Mangel an Kontrolle kann der Schlüssel zur eigenen Entwicklung werden.

    Collins, N. L., & Feeney, B. C. (2000). A safe haven: An attachment theory perspective on support seeking and caregiving in intimate relationships.
    Journal of Personality and Social Psychology.

    Gross, J. J. (2015). Emotion regulation: Current status and future prospects.
    Psychological Inquiry.

    LeFebvre, L. E., Allen, M., Rasner, R. D., Garstad, S., Wilms, A., & Parrish, C. (2019). Ghosting in emerging relationships: Causes, consequences, and implications.
    Im Journal of Social and Personal Relationships.

    Twenge, J. M., Spitzberg, B. H., & Campbell, W. K. (2018). Less in-person social interaction with peers among U.S. adolescents in the 21st century.
    Journal of Adolescence.

    Umberson, D., & Montez, J. K. (2010). Social relationships and health: A flashpoint for health policy. Journal of Health and Social Behavior.

    Way, N. (2013). Deep Secrets: Boys‘ Friendships and the Crisis of Connection.

  • Therapeutischer Diskurs im Alltag