Plötzlich ist da nur noch Stille. Keine Antwort mehr auf Nachrichten, keine Erklärung, kein Kontakt. Was viele aus dem Dating-Kontext kennen, trifft auch enge Freundschaften – und hinterlässt tiefe emotionale Spuren. Ghosting unter Freund:innen ist ein unterschätztes, aber leider weit verbreitetes Phänomen.
Freundschafts-Ghosting, was ist das?
Der Begriff „Ghosting“ beschreibt das abrupte und vollständige Abbrechen einer Beziehung oder eines Kontakts ohne Vorankündigung oder Erklärung. Während es in der Partnersuche bereits vielfach thematisiert wurde, fehlt in der öffentlichen Diskussion oft die Aufmerksamkeit für Ghosting im freundschaftlichen Kontext. Freundschafts-Ghosting ist besonders schmerzhaft, da enge Freundschaften auf Vertrauen, gemeinsamen Erfahrungen und emotionaler Nähe beruhen. Die plötzliche Funkstille kann daher als starker persönlicher Bruch erlebt werden – ähnlich einer Trennung.
Freundschafts-Ghosting ist das abrupte Beenden einer freundschaftlichen Beziehung durch kommentarloses Schweigen. Das bedeutet:
Keine Antwort auf Nachrichten.
Keine Erklärung.
Kein Abschied.
Es passiert nicht selten schleichend: Treffen werden immer wieder abgesagt, Nachrichten nicht mehr beantwortet, irgendwann ist Funkstille. Für die betroffene Person fühlt sich das oft an wie ein emotionaler Schlag ins Leere – ohne Möglichkeit zur Klärung oder Verarbeitung. Vielleicht haben sich aber auch Lebenswelten so verändert oder es gibt unausgesprochene Konflikte. Fragen die man in so einer Situation leider auch nicht beantworten kann.
Auch ein Faktor kann Neid sein. Neid kann Beziehungen vergiften – wenn er nicht reflektiert wird. Ghosting aus Neid ist oft kein böser Wille, sondern Ausdruck von innerer Unsicherheit. Aber: Wenn du geghostet wirst, weil du „zu sehr strahlst“, ist das kein Zeichen, dich zu dimmen – sondern ein Hinweis darauf, mit wem dein Licht wirklich wachsen darf.
Verlust ohne Abschluss
Laut einer Studie von LeFebvre et al. (2019) erleben Betroffene von Ghosting oft eine hohe emotionale Belastung, die mit Ambiguität, Verwirrung und Grübelverhalten einhergeht. Das Fehlen eines „sozialen Abschlusses“ erschwert den Verarbeitungsprozess erheblich.
Ghosting ist häufig kein Ausdruck von Gleichgültigkeit, sondern ein Ausdruck von Konfliktvermeidung. Studien zeigen, dass Menschen mit vermeidender Bindungsstrategie oder hohem Stresslevel dazu neigen, schwierige Gespräche zu meiden – selbst wenn sie dabei enge Beziehungen kappen (Collins & Feeney, 2000).
Nicht jede Freundschaft ist für immer – aber jede hinterlässt Spuren.
Wenn jemand dich ohne Erklärung verlässt, spricht das nicht gegen deine Bedeutung – sondern gegen die Kommunikationsfähigkeit der anderen Person.
MERKE: Du verdienst Freundschaften, in denen du dich zeigen darfst – und in denen Konflikte nicht das Ende, sondern der Anfang von Tiefe sind.
Was macht Ghosting so belastend?
- Fehlende Erklärbarkeit: Das abrupte Ende ohne Begründung führt häufig zu Schuldgefühlen oder Grübelschleifen („Was habe ich falsch gemacht?“).
- Identitätskonflikt: Verlassene Freund:innen hinterfragen nicht nur die Beziehung, sondern oft auch ihr Selbstbild.
- Unverarbeiteter Verlust: Ohne Abschied oder Klärung bleibt oft eine „offene Wunde“, vergleichbar mit komplizierter Trauer.
Doch warum ist das so? Freundschaften zwischen Frauen sind oft emotional intensiver – und damit auch anfälliger für Ghosting-Erleben.
Weiblich gelesene Freundschaften sind meist eng emotional verwoben, was bedeutet:
Wenn hier Ghosting passiert, wird es oft als tieferer Vertrauensbruch empfunden. Das ist ist männlichen Freundschaften anders. Hier dominiert oft Aktivitätsorientierung (z. B. Sport, gemeinsame Unternehmungen), wodurch das abrupte Ende manchmal weniger als Ghosting benannt, aber ähnlich erlebt wird.
Ghosting in Freundschaften ist keine Kleinigkeit. Es verletzt tief, weil es eine Beziehung beendet, ohne Erklärung oder Möglichkeit zur Klärung. Doch gerade dieser Mangel an Kontrolle kann der Schlüssel zur eigenen Entwicklung werden.
Literatur
Collins, N. L., & Feeney, B. C. (2000). A safe haven: An attachment theory perspective on support seeking and caregiving in intimate relationships.
Journal of Personality and Social Psychology.Gross, J. J. (2015). Emotion regulation: Current status and future prospects.
Psychological Inquiry.LeFebvre, L. E., Allen, M., Rasner, R. D., Garstad, S., Wilms, A., & Parrish, C. (2019). Ghosting in emerging relationships: Causes, consequences, and implications.
Im Journal of Social and Personal Relationships.Twenge, J. M., Spitzberg, B. H., & Campbell, W. K. (2018). Less in-person social interaction with peers among U.S. adolescents in the 21st century.
Journal of Adolescence.Umberson, D., & Montez, J. K. (2010). Social relationships and health: A flashpoint for health policy. Journal of Health and Social Behavior.
Way, N. (2013). Deep Secrets: Boys‘ Friendships and the Crisis of Connection.